Generationenwechsel im Fundraising.

Wie alt ist jung?

12.6.2023

Aus der Sicht von

Liliane Eggli

Viele Organisationen wissen, dass ihre Spenderinnen und Spender 65-jährig, 75-jährig oder noch älter sind. Das mag diejenigen freuen, die für das Legatefundraising zuständig sind. Aber für das Direct Mailing ist es eine Entwicklung, die Fragen aufwirft.

Wo stehen wir in fünf oder zehn Jahren? Werden die 50- bis 65-Jährigen dann die Lücke füllen? Und werden sie ähnlich viel spenden wie die starken Spendengenerationen von heute? ‍

Direct Mailings sind nach wie vor der grösste Treiber der Einnahmen. Deswegen suchen alle in der Branche nach jüngeren Spenderinnen und Spendern. Und diese ticken anders. Das ist zumindest die These. Aber wie alt ist jung? Und wie anders sind die jüngeren?

Generationen und wie sie ticken

Seit Florian Illies im 2001 sein Buch «Generation Golf» über das Lebensgefühl der Menschen veröffentlicht hat, die zwischen 1965 und 1975 geboren sind, lesen wir immer wieder über das grundlegende Anderssein der verschiedenen Generationen:

  • Die Traditionalisten (vor 1945 geboren) arbeiten fleissig und halten sich an Regeln. Sie schauen fern, ziehen das direkte Gespräch vor und haben kaum Bezug zur modernen Technik.
  • Für die Babyboomer (1946 – 1965) hat die Arbeit einen hohen Stellenwert, sie nutzen die neuen Technologien vor allem im Arbeitsumfeld, bevorzugen aber immer noch den persönlichen Austausch.
  • Die Generation X und Y – Illies «Generation Golf» und die «Millennials» – sind unabhängiger. Sinnsuche, Freiheit und Selbstverwirklichung gehören zu den meist genannten Charaktereigenschaften. Sie sind digital versiert oder gehören bereits zu den Digital Natives.
  • Die Generation Z (geboren ab 1996) ist geprägt von der Klimakrise. Als «Technoholics» sind sie mit ihren Smartphones verschmolzen und nutzen die sozialen Medien intensiv.

Wie das in einer Übersicht aussieht, kann in verschiedenen Publikationen nachgelesen werden. Rein mengenmässig sieht die Generationenverteilung in der Schweiz aktuell so aus:

Ständige Wohnbevölkerung der Schweiz ab 15 Jahren, 2020, in Tausend. Quelle: BfS

Wie unterschiedlich ticken die Generationen wirklich?

Diese Charakterisierungen sind zum Teil sehr einleuchtend, oft aber auch widersprüchlich und stark von Marketingansätzen getrieben. In einer Studie in Deutschland ist ein Soziologe von der Universität Marburg der Frage nachgegangen, inwiefern sich diese Unterschiede empirisch überprüfen lassen. Und kommt zum Schluss: Es gibt sie nicht.

Menschen ticken unterschiedlich nach Alter. Aber im gleichen Lebensalter ticken die Menschen viel ähnlicher, als wir meinen. Ein heute 20-Jähriger denkt ähnlich wie eine 60-Jährige vor 40 Jahren, was beispielsweise die Haltung zu Selbstverwirklichung, beruflichem Erfolg oder politischem Engagement angeht. Spannende Lektüre: Martin Schröder, Der Generationenmythos.

Haltung ist nicht Verhalten

Auch wenn das Lebensalter für die Haltung der Menschen entscheidender ist als die Generation, so lassen sich doch klare Unterschiede beim Verhalten feststellen. Die folgenden Auswertungen basieren auf dem echten Spendenverhalten von zwölf Organisationen, die ihre Daten in unserer Datenbank amber verwalten. Darin ist für alle Adressen unter anderem das Alter hinterlegt.

Nicht ganz überraschend, spenden jüngere Menschen eher über digitale Kanäle:

Weitere Auswertungen haben zusätzliche Einsichten gebracht:

  • Jüngere Menschen spenden zwar deutlich weniger häufig, dafür im Schnitt höhere Beträge.
  • Zudem ist die Altersverteilung der Spenderinnen und Spender auch abhängig vom Thema: Jüngere Spender:nnen engagieren sich mehr für das Thema Natur- und Tierschutz, während der Bereich der Gesundheit eher älteren Menschen am Herzen liegt.

Daraus könnte man schliessen, dass insbesondere Organisationen im Bereich Umweltschutz sich besser auf jüngere Spendende fokussieren sollen – sie sind digitaler und machen höhere Spenden.

Die schiere Menge machts

Schauen wir etwas genauer hin, wie die verschiedenen Generationen im vergangenen Jahr gespendet haben, wird der Fokus auf die «jungen Generationen» relativiert: Während die Traditionalisten und die Babyboomer – also Menschen älter als 55 Jahre – 37 Prozent der Bevölkerung ausmachen, so standen sie im vergangenen Jahr für 85 Prozent der Spenden an die hier ausgewerteten 23 Organisationen.

Ein Perspektivenwechsel führt zu einem weiteren «Aber»

Bisher haben wir uns auf Einstellungs- und Verhaltensunterschiede der verschiedenen Generationen fokussiert. Ein weiterer Perspektivenwechsel zeigt eine zusätzliche Herausforderung für das Fundraising der kommenden Jahre:

Eine einfache Extrapolation der Personen im Ruhestand, die im Moment die Hauptspendergruppe ausmachen, zeigt die Situation deutlich:

Quelle: BfS, ohne Berücksichtigung von Sterberate und/oder weiterer Migrationsbewegungen

Die klassische Spendergruppe wächst noch 10 Jahre. Dann stagniert sie. Und dann schrumpft sie. Zunehmen wir die Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund.

Ein kurzer Blick auf das Spendenfile zeigt: Ausländische Namen tauchen nur sehr sporadisch auf.

Stoff zum Nachdenken

Haltungen verändern sich mit dem Lebensalter. Das Verhalten verändert sich jedoch mit den Generationen. Auf diese Unterschiede müssen wir uns in der Mittelbeschaffung einstellen. Folgende Fragen beschäftigen uns heute schon:

  • Was wird das Spendenverhalten der Bevölkerung prägen, wenn auch die Babyboomer abtreten?
  • Wie erreichen wir Menschen mit Migrationshintergrund besser, und sind diese für die gleichen Themen affin wie die bisherige Spendergruppe?
  • Heute denken wir oft ausgehend vom Spendenbrief an eine digitale Begleitung. Und morgen?
  • Schliesslich die entscheidende Frage: Wie schnell müssen wir wo aktiv werden, um den Anschluss nicht zu verpassen?

Gerne diskutieren wir diese Fragestellungen mit Ihnen. Wir freuen uns auf Sie.

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Liliane Eggli

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